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Eine Quechuan-Stimme des Widerstands

Aktualisiert: 20. Juni


"Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt." - Ludwig Wittgenstein (1922)[1]


Die Auslöschung von allem Indigenen ist ein gemeinsamer Nenner der Hinterlassenschaften postkolonialer Staaten. Der Verlust einer gemeinsamen Sprache ist ein Schlüsselindikator sowohl für die Auslöschung der Indigenen Völker seit der Kolonisierung als auch für die gegenwärtigen Bemühungen, eine gemeinsame Geschichte und Kultur einzuschränken.


Jermani Ojeda Luenda, ein Quechua-Wissenschaftler aus Peru, weist in einem kürzlich geführten Interview mit Lowri Harris (Kommunikationskoordinatorin von Incomindios UK) auf die Macht der Sprache bei der Aufrechterhaltung der indigenen Kultur hin, sowie auf das Ausmass, in dem die peruanische Regierung und ihre Vorgänger versucht haben, die Indigenität in ihrem Staat auszulöschen.


Jermani beginnt das Interview mit einem Rückblick auf seine berufliche Laufbahn und sein frühes Leben in Kurawali in den peruanischen Anden. Jermani, dessen Muttersprache Quechua ist, befindet sich im letzten Jahr seines Doktoratsstudiums der iberischen und lateinamerikanischen Sprachen und Kulturen. In seiner Dissertation befasst er sich mit der mündlichen Rhetorik des Quechua und erörtert die Grundsätze der Quechua-Kommunikation.


Die Quechua-Sprache entstand vor etwa 2000 Jahren in den Anden und hat eine einzigartige Geschichte in Zusammenhang mit den Kolonisatoren des 16. Jahrhunderts. Ursprünglich wurde sie von den Konquistadoren zur Verständigung mit den indigenen Inkas und Missionaren auf dem Weg zur Evangelisierung eingeführt, doch im 18. Jahrhundert verwarfen die Spanier die Quechua-Sprache und verbannten sie nach der Rebellion der Eingeborenen unter Túpac Amaru II[2] aus dem öffentlichen Gebrauch. Die Quechua wurden während der „Encomendia“-Ära weiter verfolgt, in der das Land unter den spanischen Grossgrundbesitzern aufgeteilt wurde und viele Quechua als Eigentum betrachtet wurde. Dieser Akt der Kommodifizierung von Menschen zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Kolonisierung und findet sich in unzähligen europäischen Ansprüchen auf fremdes Land wieder. Mit der Gründung des peruanischen Staates im Jahr 1821 erfolgte ein Übergang von den „Encomendias“ zu „Haciendas“, welche ähnlich organisiert waren wie im europäischen Feudalsystem. Jermani erklärt, dass erst als die Nachbarländer Perus in den 1970er-Jahren eine Bewegung für Agrarreformen starteten, sich die peruanische Regierung bereiterklärte, diesem Beispiel zu folgen, um soziale Konflikte zu vermeiden. Von der Verkündung der Reform im Jahr 1969 bis 1979 wurden mehr als 9 Millionen Hektar an indigene Familien zurückgegeben und die indigene Bevölkerung erhielt die peruanische Staatsbürgerschaft. Mit der Reform änderte sich auch die Bezeichnung der peruanischen Indigenen vom abwertenden "Indio" zum "Campesino", was so viel wie "Kleinbauer" bedeutet.


Jermani stellt fest, dass viele Quechua, darunter auch er selbst, in Peru immer noch grossen Ungleichheiten ausgesetzt sind. Im Rahmen seiner Dissertation plant Jermani eine Filmarbeit mit Quechua-Sendern in verschiedenen Gebieten der Anden, die das Problem der Nichtanerkennung der Quechua-Sprache als nationale Staatssprache beleuchten soll. Die derzeitige Landessprache ist ausschliesslich Spanisch, da Quechua als rein indigene Sprache angesehen wird. Obwohl Quechua 1975 zur Amtssprache erklärt wurde und es in mindestens sieben verschiedenen Gebieten[3] rund 10 Millionen Quechua-Sprecher gibt, von denen 4,7 Millionen in Peru leben[4], wird Quechua in verschiedenen Lebensbereichen nicht berücksichtigt. Spanisch ist nach wie vor die einzige Sprache, die ausserhalb des gesellschaftlichen Lebens verwendet werden kann. Dies ist ein deutliches Beispiel dafür, wie das koloniale Erbe in die Gesellschaft einfliesst. Infolgedessen, erklärt Jermani, sprechen nur 25% der Peruaner Quechua, wobei nur 15% Quechua als erste Sprache sprechen.


Der Verlust einer gemeinsamen Sprache ist nur eines der Nebenprodukte der Kolonialzeit, die auch zu eklatanten sozioökonomischen Ungleichheiten zwischen den indigenen und nichtindigenen Peruanern führte. Jermani veranschaulicht die Realität vieler indigener Menschen in Peru, die sich entscheiden müssen, ob sie in ihren Gemeinschaften bleiben oder wegziehen, um sich weiterzubilden. Er weist darauf hin, dass seine Grosseltern nie eine Ausbildung erhalten haben und seine Eltern aufgrund ihrer sozioökonomischen Verhältnisse nur die Grundschule besuchen konnten.


Das mangelnde Interesse der peruanischen Regierung am Fortschritt des indigenen Lebens und der Kultur ist für viele Quechua und andere indigene Gruppen eine bittere Pille. Die Unterdrückung indigener Sprachen und die Vernachlässigung indigener Gemeinschaften in ihrer Bildung und in ihren sozioökonomischen Umständen setzt die historische Auslöschung der indigenen Kultur aus Peru fort.


Während Jermani ein aktuelles Thema aus einem Webinar über die Unterdrückung peruanischer Demonstranten wieder aufgreift, werden wir daran erinnert, dass die staatliche Vernachlässigung nicht die einzige Form der Auslöschung indigener Völker in Peru ist. Er erinnert daran, dass die „letzte soziale Konfliktgewalt“ zum Tod von etwa 65 Menschen führte, von denen 80% Quechua und Aymara waren. Für Jermani ist dies ein Ergebnis des strukturellen Rassismus in Peru. Diese Gewalt gegen protestierende indigene Peruaner ist eine weitere Folge ihrer kolonialen Vergangenheit. Auch hier stellt Jermani fest, dass dies nicht neu ist, da sich in den 1980er-Jahren die marxistische Gruppe „Sendero Luminoso“ auflehnte und auf eine militärische Reaktion stiess. Die Regierung unter Präsident Alberto Fujimori tötete viele Indigene im Andengebiet, aber wie Jermani argumentiert, kümmerte es niemanden, da es nicht in Lima „Bürgern“ passierte, sondern auf diejenigen abzielte, die „weniger als Bürger“ waren.


Die öffentliche Wahrnehmung indigener Gruppen als wertloser als der Rest der Bevölkerung wird von den Mainstream-Medien Perus gefördert. Jermani kritisiert die Medien, die indigene Stimmen keinen Platz einräumen, aber dennoch Werbung für die indigene Geschichte von Machu Picchu machen und daraus Kapital schlagen. Er argumentiert, dass der Staat nur ökonomisches Interesse am kulturellen Reichtum der Indigenen hat. Die Ausbeutung der indigenen Geschichte für finanziellen Gewinn spiegelt die Behandlung der indigenen Peruaner als Ware wider.


In seinen abschliessenden Argumenten kommt Jermani zu dem Schluss, dass die Regierung Perus mit internationalen NGOs und lokalen Regierungen zusammenarbeiten muss, um die Ungleichheit zwischen städtischen und ländlichen Gebieten anzugehen, damit es zu echten Veränderungen kommt und die Auslöschung der Indigenen in Peru gestoppt werden kann. Er argumentiert, dass dies mit den Bergbaukonzernen beginnen sollte, die das Land seiner Ressourcen berauben und die Lebensgrundlagen der Indigenen gefährden. Abschliessend betont Jermani die Kraft des Wissenstransfers und würdigt die Bemühungen von Incomindios, Raum für indigene Stimmen zu schaffen.


Um echte Veränderungen herbeizuführen, müssen indigene Stimmen gehört und von NGOs unterstützt werden. Durch das Eintreten für das Leben der Indigenen sind positive Massnahmen möglich, und dies ist nur durch die Stärkung der indigenen Gemeinschaften möglich. Jermanis Arbeit setzt sich für die Quechua-Sprache ein und ist für die Erhaltung dieser indigenen Kultur von entscheidender Bedeutung.




Autorin: Olivia Ronan

Co-Autorin und Interviewerin: Lowri Harris

Redaktion: Alicia Kroemer

Übersetzung: Elena Sousa Sánchez



[1] https://worldmapper.org/maps/quechua-language/#:~:text=Quechua%20is%20an%20Indigenous%20South,in%20at%20least%20seven%20territories.

[2] Adelaar, Willem F. H (2004-06-10). The Languages of the Andes. ISBN 9781139451123.

[3] Supra note [1]

[4] Ibid



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